16. September 2012

[Rezension] Wintermädchen von Laurie Halse Anderson


Titel: Wintermädchen
Autor: Laurie Halse Anderson
Seiten: 368
Preis: 7,99 Euro
Teil einer Reihe? Nein

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In der Silvesternacht leisten die beiden Freundinnen Lia und Cassie einen heiligen Schwur: Sie wollen alles dafür tun, die dünnsten Mädchen der Schule zu sein. Nun ist Cassie tot und für Lia bricht eine Welt zusammen. Doch die Stimmen in ihrem Kopf werden immer lauter. Sie befehlen ihr zu hungern und Lia gehorcht - in ihrem einsamen Kampf gegen sich selbst, ihre Eltern und ihre tote Freundin, die in der Welt der Wintermädchen auf sie wartet. 


Dies ist mein erstes Buch über das Thema Magersucht gewesen. Da ich keinerlei Vorkenntnisse hatte, habe ich mich vor dem lesen sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und mir somit ein nicht sehr kleines Vorwissen dazu geschaffen. Ich habe mir viele Dokumentationen und Erfahrungsberichte über Magersucht und Bulimie angesehen und war schockiert darüber, was diese (zum größten Teil) Mädchen sich da antun. Ich selbst hatte mit zwei Fällen in der Bekanntschaft zu tun, allerdings nie wirklich etwas über die psychische Krankheit erfahren, sondern nur über das körperliche Leiden.

Das Cover des Buches finde ich zwar wirklich schön und auch sehr ansprechend, allerdings weiß ich nicht was es mit der Geschichte zu tun hat. Dies ist leider bei vielen Büchern der Fall, aber solange es wenigstens hübsch aussieht ist mir das auch egal.
Vorneweg muss ich sagen, dass ich mir etwas ganz anderes vorgestellt hatte unter diesem Buch. Ich dachte, dass es nur um das Thema Essstörungen geht, aber ich will euch sagen, dass ihr euch darauf vorbereiten solltet, das auch viel auf die Trauer Bewältigung eingegangen wird, wie hier nach dem Tod von Cassie. Lia spielt allen vor, dass es ihr egal ist, das ihre ehemalige beste Freundin gestorben ist, innerlich frisst sie das aber, im wahrsten Sinne des Wortes, auf. Sie gibt sich selber die Schuld, weil sie nicht an ihr Handy gegangen ist, in der Nacht von Cassies Tod. Cassie wollte sie um Hilfe bitten, aber Lia war nicht dazu bereit ihr diese Hilfe anzubieten und am Schluss ist Cassie gestorben, was nicht passiert wär, wenn Lia ihr geholfen hätte.

Ich finde das in diesem Buch sehr einfühlsam auf die Krankheit eingegangen wird und man merkt, dass die Autorin über ein großes Wissen verfügt. Was ich immer sehr gut fand, waren sie Szenen in denen Lia einen Geruch immer mit einem Essensgeruch in Verbindung gebracht hat. Dies hat wirklich ihre Sehnsucht nach dem Essen herübergebracht und wie sehr sie es will, es sich jedoch immer wenn es soweit ist, verbietet, weil sie sich fett findet. Hinter jeder Sache die sie isst, steht eine Kalorienzahl. Somit kennt der Leser Lias Gedanken, wenn sie Essen sieht oder zu sich nimmt. Außerdem bekommt man mit, dass Lia selber merkt, dass sie krank ist. Wenn sie auf die Waage steigt und 43 Kilo sieht, will sie 41 Kilo. Wenn sie die 41 Kilo erreicht hat, will sie 39. Sie sagt sich selber, dass es nie zu wenig ist und das sie erst zufrieden ist, wenn sie eine 0 auf der Waage sieht, aber weiß, das es niemals dazu kommen wird und dadurch frustriert ist. Sie lügt alle an und wenn ihre Stiefmutter sie wiegt, zieht sie einen Bademantel an, in den sie Geldstücke gelegt hat, sodass er sie ganze 5 Kilo schwerer macht. Diese ganzen kranken Gedanken von ihr, werden so gut beschrieben, dass man als gesunder Leser sie versteht und teilweise auch mit ihr fiebert, dass sie ihre Ziele erreicht, aber gleichzeitig auch über diesen Gedanken schockiert ist. Man versteht richtig was sie durchmacht und da kommen wir zu einem kleinem negativen Punkt: Ich würde dieses Buch ab 16 Jahre empfehlen, weil ich denke das es für jüngere Kinder vielleicht einen Anreiz setzten könnte, es genauso wie Lia zu machen. Nichts zu essen bis man umfällt, alle anzulügen, auch sich selber und sich in etwas total ungesundes hineinzusteigern. 

Die Protagonisten fand ich sehr authentisch, wenn auch manchmal unlogisch handelnd. Lia setzt sich immer durch alle durch und bekommt fast immer was sie will. Man erfährt im Buch, dass sie der eigentliche Grund ist, warum Cassie auch in diese Krankheit geraten ist und das Lia sie förmlich dazu angestiftet hat, was wirklich fatale Folgen hatte. Man ist sauer auf Lia und darauf was sie ihrer besten Freundin angetan hat, aber andererseits versteht man es auch wieder, weil sie einfach nicht alleine mit der Magersucht sein wollte und jemanden an ihrer Seite sich wünschte, der genauso fühlt wie sie. Mein Lieblings Charakter in diesem Buch war allerdings die kleine Emma. Emma ist Lias Stiefschwester und der einzige Grund warum Lia um ihr Leben kämpft und darum die Magersucht zu besiegen. Sie will sich auch in Zukunft noch um Emma kümmern können und immer für sie da sein können.
Jennifer ist Lias Stiefmutter und eigentlich fand ich sie total sympathisch und nett, teilweise war sie aber auch unglaublich unsensibel. Manchmal macht sie sich wirklich Sorgen um Lia und will ihr bei ihrem Weg der Besserung helfen aber dann kommt etwas Wichtigeres dazwischen und Lia muss warten. Außerdem fand ich es total unlogisch, dass die Familie im Keller einen Stepper stehen hatte, auf dem Lia alle Kalorien die sie gegessen hat und noch mehr, wieder abtrainiert.
Warum um zum Teufen merkt das niemand und stellt dieses Ding aus dem Haus?
Das habe ich mich sehr oft gefragt. Ihr Vater und ihre Mutter sind beide sehr beschäftigt mit ihrem Job und verlieren den Überblick über Lias Leben.

Ich bewundere Laurie Halse Anderson für dieses Buch, und denke, dass sie sich wirklich sehr gut über das Thema und alle Fakten rund herum informiert hat. Die Geschichte wirkte authentisch und völlig nachvollziehbar und rief vollkommen verschiedene Gefühle in mir hervor. Auf der einen Seite, versteht man so gut Lias Sorgen und unterstützt sie auf ihrem Weg abzunehmen, ist aber auch schockiert und teilweise echt angeekelt von dieser Krankheit, die ein Leben so zerstören kann.


Ein wirklich gutes Buch über die Themen Magersucht und Trauer Bewältigung. Es ist nachvollziehbar und gut geschrieben, hat authentische Protagonisten und einen gut recherchierten Inhalt. Ich würde es allerdings erst ab 16 empfehlen, da es vorher vielleicht für manche die Krankheit verherrlichen könnte. Außerdem habe ich leider etwas anderes erwartet, trotzdem war ein ein sehr gutes Buch und ich würde es weiterempfehlen.


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